Nur mit dem Geist ist Leben!
Wieso die Neuevangelisierung nur mit einer erneuerten Beziehung zum Heiligen Geist gelingt
von P. Klaus Einsle LC
Zu Pfingsten besuchte ich einen charismatischen Gottesdienst mit anschließendem Gebet um die Ausgießung des Heiligen Geistes. Beeindruckend. Früher war es für mich etwas ungewohnt. Heute nicht mehr: Ich bin es inzwischen gewöhnt, dass Menschen von Gott ganz besonders angerührt werden können. Manche „ruhen im Geist“, d.h. sie taumeln und fallen langsam nach hinten. Man legt sie auf den Boden und dort ruhen sie. Der Heilige Geist, so sagen die Charismatiker, wirkt.
Dass wir den Heiligen Geist so nötig haben, damit in der Evangelisierung etwas geschieht, darüber schreibe ich heute.
Vor drei Jahren führte ich beim Eucharistischen Kongress in Köln ein interessantes Gespräch mit einer Dame der charismatischen Gemeindeerneuerung. Sie schenkte mir ein Büchlein; ihr letztes Exemplar. Und das hat mich seither als treuer Freund und Inspiration begleitet. Herausgegeben hat es die Theologische Kommission der katholischen Charismatischen Gemeindeerneuerung. Und darin beschrieben sind, ausgehend von einer geschichtlichen Klärung, die Bedeutung des Heiligen Geistes und die Früchte, die er durch seine Erneuerung hervorbringt.
Als ich diese Früchte las, sprang ich auf und rief: Genau. Das ist es. Das ist genau, was wir brauchen. Wir im Regnum Christi, und wir in den Gemeinden. Ich war begeistert. Seit damals bin ich überzeugt und erlebe es immer mehr, dass der Heilige Geist die Antwort auf die großen Fragen der Neuevangelisierung ist.
Welche Früchte bringt er hervor?
- Eine tiefe, vertrauensvolle Liebe zu Gott Vater.
- Eine persönliche Beziehung zu Jesus.
- Eine erneuerte Liebe zur Kirche.
- Ein brennendes inneres Verlangen, anderen die Freude mitzuteilen, die einen Glaubenden erfüllt.
- Die Heilige Schrift wird ein lebendiges Wort, das Gott spricht.
- Die Glaubenden bilden eine innige Gemeinschaft, die in Herz und Geist verbunden ist und wo man sich gegenseitig beschenkt.
Wäre das nicht wunderbar? Wenn Menschen in unseren Gemeinden tief in der Liebe eines guten Vaters ruhen könnten, wenn innere Wunden heilen würden? Wenn wieder mehr Menschen eine lebendige und persönliche Beziehung zu Jesus hätten – in der Eucharistie und durch die Bibel? Wenn das Wort Gottes für viele lebendig würde und sie daraus freudige Orientierung für ihr Leben fänden? Wenn wir unsere Kirche hegen und lieben würden, anstatt sie durch Nörgeln und Kritisieren zu verwunden?
Was für eine lebendige kirchliche Gemeinschaft wäre das! Und welche Ausstrahlung hätte sie? Eine Ausstrahlung, die andere anziehen und anstecken würde. Wir würden wieder lebendig werden, Gemeinden würden wachsen, Menschen würden in Gott den tiefen und erlösenden Sinn des Lebens finden. Erst vor einiger Zeit saß mir eine etwa 50-jährige Frau gegenüber, die aufgrund ihres selbst gewählten heidnischen Götterglaubens seit Jahren innere Ängste durchsteht und dadurch ein belastetes Leben führt. Und nun findet sie über Umwege langsam zu unserem Vater-Gott, der die Liebe ist. Und das ganze Dasein ändert sich, Spannungen lösen sich auf, Lebensfreude und Schaffenskraft kehren zurück.
Wäre es nicht schön, wenn wir das zu Hunderten und zu Tausenden erleben könnten?
Der Heilige Geist ist die Antwort auf diesen Traum
Schon in der Entstehungszeit des Christentums gibt es ein Vorher und ein Nachher: vor und nach dem Kommen des Heiligen Geistes. Jesus, der menschgewordene Gott, hat uns Menschen erlöst; befreit vom Bösen, der Sünde, der Spaltung und Trennung. Doch die Apostel und Jünger waren vor und nach der Erlösungstat immer noch dieselben: ängstlich, selbstzentriert, verschlossen, eingeschlossen, unwissend und fragend.
Doch mit dem Tag, an dem der Heilige Geist kommt, ändern sich die Herzen dieser Apostel und Jünger endlich. Plötzlich ist Mut in ihnen; sie erfahren eine innere Einheit untereinander; sie treten öffentlich auf. Die Herzen der Zuhörer sind auch anders geworden: empfänglich und offen. Und von diesem Tag an beginnen das Wachstum und die Ausdehnung des christlichen Glaubens.
Was war da geschehen? Wieso eine so plötzliche Änderung? Warum auf einmal so viel Lebendigkeit, so viel Kraft; auch verändernde Kraft der Evangelisierung?
Nun, die Antwort ist einfach und klar: Alles das hat der Heilige Geist bewirkt. Er ist diese Kraft von oben, die Jesus verheißen und gesandt hat. Diese Kraft hat die Kirche erstehen lassen. Und diese Kraft führt sie seit damals. Sowohl in denen, die den Glauben leben und verkünden als auch in jenen, die ihn hören und sich dafür interessieren.
Nun scheint es logisch, dass, je mehr der Heilige Geist wirken kann und darf, die Kirche erblüht, und sie schwach wird und zerfällt, je weniger wir ihn wirken lassen; denn er ist für die Kirche das, was für den Leib die Seele ist. Was aber, wenn die Seele den Leib verlässt? Dann stirbt der Mensch und der Leib zerfällt. Ist die Seele schwach, dann spürt das auch der Leib und kann sogar sichtbare Krankheitssymptome zeigen.
Wenn wir nun die Gemeinden und die Kirche im Allgemeinen in unserem Land anschauen, müssen wir – allein schon von den Zahlen her – sagen, dass sie nicht stark und lebendig, sondern kränklich, ja zum Teil todkrank sind. Meine Schlussfolgerung: Der Heilige Geist hat wenig oder keinen Raum. Gleichzeitig gibt es „junges Grün“ in dieser Kirche; kleine fast nicht wahrnehmbare Knospen, die lebendig sind; die wachsen, die Frucht bringen. Meine Folgerung: Dort darf der Heilige Geist wirken, und er schenkt neues Leben und Kraft.
Also gilt: Wo der Heilige Geist in seiner ganz eigenen Art zu wirken da sein darf und wo man ihm Raum gibt, da bringt er die Gemeinschaften und Gemeinden zum Wachsen. Wo wir ihn aussperren, da flieht das Leben.
Leben im und aus dem Geist
Biologisches Leben charakterisiert sich durch Dreierlei: Stoffwechsel, Wachstum und Fortpflanzung. Und im geistigen Sinn? Ist es nicht ähnlich? Wir nehmen Gottes Gnade in uns auf und sie wandelt uns um. Wir werden gütig, liebevoller, wahrhaftiger, mutiger, kraftvoller, sanfter… (Stoffwechsel). Wir wachsen: in unserer Beziehung zu Gott, in unserer Liebesfähigkeit, in der Einheit. Und: Neues Leben wird geboren. Mehr und mehr Menschen kommen dazu und bilden den großen Organismus des Lebens, den der Heilige Geist aufbaut und wachsen lässt.
Wenn wir also überzeugt sind, dass der Heilige Geist die Lebenskraft einer Gemeinde, eines geistlichen Lebens und der Kirche überhaupt ist, dann müssen wir fragen: Wie können wir ihn zu uns holen? Und was hält ihn ab zu kommen?
Jesus gibt uns die Antwort: Der Heilige Geist will kommen. Aber wir sollen – vereint – um ihn beten. „Bleibt in der Stadt, bis ihr mit der Kraft aus der Höhe erfüllt werdet“ (Lk 24,49). Und „geht nicht weg von Jerusalem, sondern wartet auf die Verheißung des Vaters, die ihr von mir vernommen habt“ (Apg 1,4).
Die Jünger taten dann folgendes: „Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben… Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und mit Maria, der Mutter Jesu, und mit seinen Brüdern“ (Apg 1,13.14). Und nach ein paar Tagen kam er, der Heilige Geist, der die Kirche mit Leben erfüllt und beschenkt.
Sollte das nicht auch heute zu jedem Pastoralkonzept gehören? Gemeinsam und vereint beständig beten, damit der Heilige Geist die Gemeinde, die Gruppe, die Bewegung, den Wallfahrtsort neu und stärker und ständig belebt?
Wie wäre es, wenn wir Christen – Bischöfe, Priester und Laien – regelmäßig um das Kommen des Heiligen Geistes auf unsere Kirche beten würden? Könnte nicht auch eine Pfarrgemeinderatssitzung einmal in Form eines geisterfüllten Gebetsabends stattfinden? Was würde geschehen, wenn Generalvikariate mit ihren Mitarbeitern einmal in der Woche einen halben Tag lang um die Herabkunft, die Leitung und die Lebendigkeit des Heiligen Geistes beteten?
Ich habe eine Ahnung, was geschehen könnte: Das Angesicht der Kirche würde sich erneuern („Sende aus deinen Geist, und alles wird neu geschaffen; und du wirst das Angesicht der Erde erneuern.“).
Neuevangelisierung ohne den Heiligen Geist, mit nur mehr Strukturierung und Sitzungen, bleibt hingegen eine Chimäre. Neuevangelisierung durch den Heiligen Geist ist immer eine Zukunftsperspektive voller Hoffnung und Kraft.
Der Heilige Geist ist unsagbar kraftvoll
Das habe ich mit eigenen Augen gesehen: Der Heilige Geist kann Menschen und Gruppierungen neu beleben, er kann Menschen heilen und bekehren, er kann den Glauben erneuern und lebendig machen.
Zu Beginn benannte ich die Früchte einer Geistausgießung: Kenntnis Gott Vaters, innige Beziehung zum Sohn, Eifer für die Menschen und deren Heil, Treue zur Kirche; aber auch außergewöhnliche Charismen wie das Zungengebet, die Heilung, Befreiung von negativen Bindungen, neue Freiheit, Prophetien und Bilder, die den Menschen helfen. Alles das und viel mehr darf die Kirche vom Heiligen Geist erwarten.
Und so wie Jesus damals viele Wunder getan hat, um den Menschen Befreiung zu schenken, aber auch um sie neugierig zu machen, will der Heilige Geist heute Wunder tun. Ich bin immer mehr davon überzeugt: Wenn wir den Heiligen Geist heute wieder seine Wunder tun lassen, dann werden die Kirche und unsere Gemeinschaften wieder anziehend sein, ausstrahlen und viele Menschen im Herzen berühren. Dann werden wir schließlich Zeugen dessen sein dürfen, was Jesus Christus uns allen verheißen hat: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10).