Wie hältst du es mit dem Papst?
Die Gretchenfrage zur Liebe und Treue zum Heiligen Vater. Von P. Martin Baranowski LC
Papstkritik ist deutschsprachigen Raum keine Überraschung. Bislang kam sie aus einer bestimmten kirchenpolitischen Ecke, welche u.a. die Änderung der Sexualmoral, die Aufhebung des Zölibats und die Zulassung der Frauen zur Priesterweihe forderte. Papst Franziskus jedoch erfährt zunehmend auch Unverständnis und Ablehnung bei Gläubigen, die sich zuvor noch als papsttreu bezeichnet hätten. Die Kritikpunkte sind vielseitig: Die Haltung des Pontifex in der Coronazeit, zur Flüchtlingsfrage, seine Schreiben zum Klimawandel, die Pachamamazeremonie im Vatikan, die Änderung der Bestimmungen zur Messfeier im außerordentlichen Ritus, das Dokument über die Segensfeiern, gewisse Gesten und Personalentscheidungen sowie allgemein die Sorge um eine fehlende Klarheit in der Verteidigung der katholischen Lehre.
Nachfolger des hl. Petrus
Demgegenüber scheint mir ein vertieftes Verständnis vom Wesen des Papsttums nötig sowie ein Blick des Glaubens auf den Bischof von Rom:
- Die Lehre der Kirche sieht im Papst keine bloß menschliche Führungspersönlichkeit, sondern den Nachfolger des heiligen Petrus, der die Kirche nach dem Willen Christi durch die Zeiten leiten soll (vgl. KKK 882).
- Die Liebe und Treue zum Papst gründen letztlich nicht auf menschliche Sympathie oder das Einverständnis mit seinen Meinungen, sondern auf den Glauben, dass Gott durch ihn wirken kann und will.
- Dabei geht es nicht um einen Personenkult, sondern um das Wissen, dass das von Christus eingesetzte und gewollte Amt heilig und fruchtbar ist, auch wenn der konkrete Amtsträger fehlbar und sündig bleibt.
Letztlich geht es um einen Dienst, den der Papst für die Kirche leisten soll: „Das Lehramt muss das Volk vor Verirrungen und Glaubensschwäche schützen und ihm die objektive Möglichkeit gewährleisten, den ursprünglichen Glauben irrtumsfrei zu bekennen. Der pastorale Auftrag des Lehramtes ist es, zu wachen, dass das Gottesvolk in der befreienden Wahrheit bleibt“ (KKK 890).
- Das unfehlbare Lehramt des Papstes bezieht sich nicht auf saloppe Kommentare bei Flugreisen, politische Meinungsäußerungen, Einschätzungen zur Finanzwelt oder Klimaentwicklung, Personalentscheidungen, spontane Gesten oder pastorale Hinweise.
- Auch wenn sich viele politische und gesellschaftliche Einschätzungen von Päpsten als falsch erwiesen haben und das persönliche Leben nicht immer mit der verkündeten Lehre übereinstimmte, hat bisher in der Kirchengeschichte kein Papst etwas gelehrt, was sich später als Häresie herausgestellt hätte.
Im Regnum Christi gehört die „Liebe zum Papst“ zu den geistlichen Grundhaltungen (vgl. Statuten der Regnum-Christi-Föderation, Nr. 12). Konkret bedeutet das: „Wir stehen liebevoll und gehorsam an der Seite des Papstes […]. Wir bemühen uns, seine Lehren zu kennen und zu verbreiten, an seinen Initiativen teilzunehmen“ (SRCF Nr. 16).
Wie kann sich die Liebe zum Papst konkret ausdrücken?
1. Eine wohlwollende Grundhaltung
Zu Beginn seiner Exerzitien rät der hl. Ignatius: „Jeder gute Christ muss mehr bereit sein, eine Aussage des Nächsten zu retten, als sie zu verdammen“ (Nr. 22). Mit dieser Haltung sollte ein Christ au den Heiligen Vater hören. Wer nur mögliche Fehler oder die Bestätigung gewisser Vorurteile sucht, dem entzieht sich die eigentliche Botschaft. Papst Benedikt XVI. bittet daher in der Einleitung seines Jesusbuches „um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt.“
2. Nicht nur Überschriften, sondern die Originaltexte lesen
Nicht selten werden Aussagen des Papstes in der Presse mit reißerischen Überschriften, einseitigen Darstellungen, polarisierenden Übertreibungen oder polemischen Zusammenfassungen wiedergegeben. Daher lohnt sich die Mühe, den ganzen Originaltext zu lesen. Das ergibt meist schon ein anderes und viel differenzierteres Bild.
3. Einordnung in den Kontext
Ein aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat oder die Reduktion eines Dokumentes von über 200 Seiten und 325 inhaltlichen Abschnitten auf eine von fast 400 Fußnoten, die vielleicht missverständlich ist, werden einer redlichen Bewertung nicht gerecht. Es handelt sich hierbei um eine willkürliche Instrumentalisierung des Papstes, die sich vom wirklichen Hören und gläubigem Gehorsam unterscheidet.
4. Ein ehrliches und vollständiges Hören
Ebenso instrumentalisierend ist eine selektive Lektüre der päpstlichen Lehre, die nicht wirklich rezipiert, sondern nur die Bestätigung der eigenen Meinung und Wasser für die eigenen Mühlen sucht. Eine solche Einseitigkeit zeigt sich, wenn beispielsweise jede Wortmeldung zum Umweltschutz, Klerikalismus oder Synodalität begierig Aufnahme findet, gleichzeitig aber die zahlreichen Aufrufe zur Anbetung, Beichte, Lebensschutz und missionarischen Erneuerung grundsätzlich ignoriert werden.
5. Keine politische Verengung
Die Tagespresse greift meist die politischen Äußerungen des Papstes auf. Die Vielzahl von geistlichen Impulsen in den Predigten, Katechsen, Botschaften und Apostolischen Schreiben stehen zumeist wenig im Rampenlicht, sind aber wesentlich, um die Haltung und das Anliegen des Heiligen Vaters zu verstehen. In den bisher 20 Katechesezyklen von Papst Franziskus geht es um die Sakramente, das Gebet, die Tugenden, die Kirche, die Familie, die Gebote Gottes, die Seligpreisungen, die Unterscheidung der Geister und den apostolischen Eifer.
6. Die Gesamtperspektive sehen und die großen Anliegen verstehen
Das Ziel seines Pontifikates formulierte Franziskus im Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“: „Versetzen wir uns in allen Regionen der Erde in einen Zustand permanenter Mission“ (Nr. 25). Dabei geht es darum, sich erneut von Christus finden zu lassen, in ihm eine ansteckende Freude zu entdecken (vgl. Nr. 3) und ihn in einem Leben der Heiligkeit zu bezeugen (vgl. Apostolisches Schreiben „Gaudete et exsultate“). Dies erfordert eine Erneuerung der Liebe in Ehre und Familie (vgl. Apostolisches Schreiben „Amoris laetitia“) sowie eine Begleitung der Jugend (vgl. Apostolisches Schreiben „Christus vivit“). Für den Wiederaufbau der Kirche gemäß dem Vorbild des Patrons seines Pontifikates wünscht sich Papst Franziskus den Beitrag aller Glieder der Kirche (Synodalität). Diese gewaltige und faszinierende Vision des Papstes sollte nicht in den Streitereien über Nebensächlichkeiten untergehen.
7. Unterscheidung zwischen Lehre und Pastoral
Aufgrund seiner missionarischen Zielrichtung legt Papst Franziskus den Focus besonders auf die Pastoral. Diese setzt die Lehre der Kirche voraus und will diese nicht verändern, sucht aber Wege, auch verletzte und verlorene Menschen zu erreichen und ihnen den Weg der Umkehr zu erleichtern, damit sie die Barmherzigkeit Gottes erfahren können. Als Jesus der Ehebrecherin vergibt, rechtfertigt oder verharmlost er damit nicht den Ehebruch. So wird auch Papst Franziskus nicht müde zu wiederholen, dass jeder – auch er selbst – ein Sünder ist, der die Barmherzigkeit Gottes braucht.
8. Mit Fehlern umgehen
Sicher hat Papst Franziskus weder das Charisma des heiligen Papstes Johannes Paul II. noch die theologische Brillanz seines Vorgängers Benedikt XVI. Die Liebe zum Papst ist keine rosa Brille, die Fehler und Irrtümer nicht sehen will oder schönredet. Doch dies darf nicht den Glauben verdrängen, dass dieser Mann – wie der heilige Petrus – trotz seiner Schwächen und Fehler vom Herrn erwählt wurde, und dass es letztlich Gott ist, der durch ihn die Kirche auf den Wegen seiner Vorsehung leitet.
9. Wertschätzung des Guten
Wichtig ist auch, das Positive des Pontifikates zu sehen und zu schätzen. Papst Franziskus ist es gelungen, durch seine bescheidene Lebensweise authentisch das Evangelium zu bezeugen. Trotz seines hohen Alters schont er sich nicht, sondern nimmt eine Vielzahl von Terminen und Reisen auf sich. Eine klare Haltung beweist er beim Lebensschutz, in der Verurteilung der Genderideologie und gegenüber den Verirrungen des deutschen Synodalen Weges. Er ist ein Marienverehrer und setzt sich für eine Wiederentdeckung von Gebet, Anbetung und Beichte ein.
10. Gebet für den Papst
Immer wieder bittet Papst Franziskus die Gläubigen um ihr Gebet. Das ist mehr als eine fromme Floskel, sondern Ausdruck der Überzeugung, dass der petrinische Dienst vom Gebet der ganzen Kirche getragen sein muss. Sicherlich würden weniger lieblose Kritik am Papst und mehr vertrauensvolles Gebet für ihn dem Wohl der Kirche dienen. Auch das neue Gebetbuch des Regnum Christ (veröffentlicht 2023) enthält ein Gebet für den Heiligen Vater, das ich persönlich immer wieder gerne bete:
O Jesus, König und Herr der Kirche, ich erneuere vor dir meine Treue zum Papst, dem sichtbaren Prinzip und Fundament der Einheit in deiner Kirche. Ich glaube fest daran, dass du uns durch ihn leitest, lehrst und heiligst. Bewahre sein Leben, erleuchte seinen Verstand, stärke seinen Geist und gib, dass deine Kirche um ihn herum eins bleibt, fest im Glauben und im Handeln, und so das treue Werkzeug deiner Erlösung sein möge. Amen.