Zwei Brüder – Ein Weinberg
16 Jahre ist es her. Da knieten wir zusammen auf dem Acker, um Spargel zu ernten. Eine Saison. Um das Taschengeld etwas aufzubessern. Dass wir uns eines Tages tatsächlich im selben „Weinberg“ wiedersehen würden, hatten wir uns damals nicht träumen lassen. Warum? Dafür waren die Unterschiede zwischen uns einfach zu groß: Nicht nur bezüglich der Schulnoten, sondern auch in den anderen Interessen. Während der eine von uns Geige übte, ließ der andere beim Zimmern des Baumhauses seine Kindheitsträume in Erfüllung gehen. Und wem dies zur Bestätigung noch nicht reichte, wurde spätestens dann eines Besseren belehrt, als im Kinderzimmer mal wieder die Fetzen flogen. Und die Legosteine. So musste der liebe Gott auch jeden von uns auf seine eigene Weise rufen. Während der ältere Bruder bereits in frühen Jahren mit der Berufung liebäugelte, klopfte der Herr beim Jüngeren erst in der Abiturphase so richtig an die Tür.
Der Weinberg und das Ordensleben haben viele Gemeinsamkeiten. Eine davon: Es scheint nicht immer die Sonne. Als ich (Br. Raphael) zum Apostolischen Praktikum in die USA gesandt wurde, musste ich erst einmal schlucken. Das war sozusagen eine Reise ins Unbekannte: fremde Kultur, fremdes Land, fremde Leute. Das Unbehagen und die Aufregung waren so groß, dass ich am Ende vergaß, einige Dokumente für die Einreise mitzunehmen. Aber gerade auf Reisen in die Vereinigten Staaten ist das empfehlenswert. Dann hätte ich nämlich die Beamten am Flughafen nicht erst davon überzeugen müssen, dass ich als Ordensmann nur aus Gehorsam zu Gott einreisen möchte… Heute bin ich Gott und den Mitbrüdern sehr dankbar. Ich habe in der Zeit dort so viel gelernt. Nicht zuletzt das Gottvertrauen.
Manchmal hält der Weinberg auch überraschende Wendungen bereit. Man weiß nicht, wie es weitergehen soll, und dann… Zum Beispiel als ich (Br. Mariano) nach langer Zeit in Spanien das erste Mal zurück nach Deutschland kam. Das knappe Reisegeld war wegen unvorhergesehenen Umständen zu früh aufgebraucht. Jetzt stand ich in Köln am Hauptbahnhof – allein, mit leerem Geldbeutel, ohne Telefon und vor allem ohne Ticket. Während ich noch über das weitere Vorgehen grübelte, stand eine ältere Dame neben mir. Auch ihr Gesicht trug Züge von Verzweiflung, denn der Fahrkartenautomat wollte mal wieder nicht so richtig. Ihre letzte Hoffnung: der junge Seminarist ein paar Schritte weiter. Gemeinsam lösten wir schließlich ihr Ticket. Das machte mir Mut, ich fasste mir ein Herz und erzählte ihr, dass ich hier am Bahnhof eigentlich festsaß. „Darum sage ich euch: Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet…” (Mt 6,26) – wie glücklich und erleichtert war ich daraufhin, als die Dame mir spontan das Zugticket nach Hause bezahlte.
Eine tiefe Freude über die Berufung tragen wir beide im Herzen. Ich (Br. Raphael) erinnere mich z.B. noch sehr gern an meine erste Profess: Irgendwie war es der schönste Tag meines Lebens. Am Abend, als der Trubel vorbei war, konnte ich nochmal alleine in der Kapelle verschwinden. „Ab jetzt gehöre ich ganz dem Herrn“, sagte ich mir damals. Die Freude darüber begleitet mich bis auf den heutigen Tag.
Seit dem sind ein paar Jahre vergangen. Die Ausbildung nimmt ihren Lauf. Zwar war Br. Raphael zwei Jahre früher in die Gemeinschaft eingetreten. Aber nun studieren wir gemeinsam in Rom das zweite Semester Theologie. Als wir vor ein paar Monaten gemeinsam durch die Fußgängerzone von München liefen, wurden wir aufgehalten: Ein Kellner stand am Nachmittag in der Tür seines Restaurants. Es war noch zu früh für Kundschaft. Er hatte uns gesehen und wollte beichten. Hier und jetzt. Wir waren überrascht. Wir sind ja noch keine Priester! Natürlich redeten wir ihm gut zu, es doch in der gegenüberliegenden Pfarrei zu versuchen. Aber bei dem Erlebnis haben wir gemerkt: Es wird ernst! Der Weinberg ist groß. Die Arbeit wartet auf uns. Und diese Erfahrung gemeinsam zu leben, ist ein größeres Geschenk, als wir uns je ausgemalt hatten.
Br. Raphael und Br. Mariano Ballestrem LC
Zu den Autoren
Raphael Ballestrem wurde 1985 in München, Mariano 1986 in Bonn geboren. Sie sind Geschwister, gemeinsam im Rheinland aufgewachsen und nach dem Abitur (2004 und 2006) in die Ordensgemeinschaft der Legionäre Christi eingetreten. Nach Jahren der Ausbildung in Deutschland, Italien, Spanien und den USA studieren sie nun – zum ersten Mal gemeinsam – in Rom Theologie. Das Studium dauert noch weitere zwei Jahre.
Weitere Berufungszeugnisse finden Sie auf der Webseite des Regnum Christi unter Orden & Gottgeweihte/Zeugnisse.